[OSZO 05]

Der Goldene Reiter

Licht / Glasskulptur, 67 Glasschichten, Pigment, HQI Licht, Beton, Stahl,
6m x 3,20m x 0,80m, ca. 20Tonnen, “Deutsches Eck”, Leipzig 2001 – 2003

Der Hintergrund der Arbeit war ein Wettbewerb. Es sollte Bezug auf die radikalen Umwälzungen, bzw. die Renaturierung im Südraum Leipzig, genommen werden. Der Ort, daß sog. “Deutsche Eck” am Zusammenfluß von Pleiße und Elsterflutbecken, liegt mitten im Stadtgebiet von Leipzig. Er markiert den Übergang vom Stadtraum hin zur Leipziger Auenlandschaft, die wiederum übergeht in den Leipziger Südraum mit seinen ehemaligen Tagebaugebiet.

Der Cospudener See, der erste einer enstehenden Seenplatte, resultiert aus der Flutung eines Teiles dieses Gebietes. Kurz danach entstand an seinem Ufer Ostdeutschlands größter Freitzeitpark “Belantis”. ( bei einer Arbeitslosenrate von über 20%). Ein hochrangiger Politiker (Biedenkopf) und ein hochrangiger Clown (Popov) , legten den Grundstein dafür. Um den See wurde ein Asphaltweg für Inline Scater (Trendsport / Freizeitgesellschaft) gebaut. Ein Hafen im schwedischen Landhausstil (Ortsbezogenheit Skandinavien) und ein Kaffeefahrtendampfer machten die sogenannte Renaturierung eines bis zur Unkenntlichkeit geschundenem Gebietes, vollends zur Realsatire. Gleichzeitig zu diesen ortsspeziefischen geschaffenen Tatsachen, wollte ich der Arbeit auch einen ortsübergreifenden Rahmen geben.

Die künstlerische Kommentierung dieser Situation führte ich mit einigen Vergleichen an. Die Zeit des Barock und unsere heutige Gesellschaft (Neopostbarock), zeigen in einem hohen Maße kulturspezifische Parallelen auf. In beiden Gesellschaften spielen Begrifflichkeiten wie, Oberfläche (Puder – Fett absaugen ), Dauerparty (Lustschloß – Großraumdisko), Prunk (vergoldete Kutsche – Mercedes Maybach / 30 Liter Auto 600 000 €), radikale Landschaftsumformungen ( künstlich angelegte Park´s – Freizeitpark´s), eine große Rolle. Meine Hauptaussage muß somit auch, bezogen auf eine sich nicht mehr zu entziehenden und unprüfbarer manipulierten globalen!!! Medienerfahrungswelt, und damit auch ihrer ästhetischen Diktion bzw. der dadurch entstandenen Mißachtung des konkreten Ortes, Bezug nehmen.

Ein weiteres Merkmal der heutigen Zeit, daß Sample, ist ein typisches Versatzstück unserer Zeit. In vielen Bereichen wie etwa der Popmusik, oder der Bildproduktion (Videoclip, Filmproduktion, Werbung, Mode), werden in immer schnellerer Abfolge Zitate (Samples) eingesetzt. Vor allem in popkulturellen Kontexten ist das der Fall. Das Sample ist Teil eines Gesamtstückes, welches mehr oder weniger, je nach Bearbeitung, 1:1 bis völlig verfremdet, über die Aussage des Stückes bestimmt. “Der Goldene Reiter”, ein Symbol des Barock, schien mir dafür am besten geeignet. Der Reiter, August der Starke, fehlt vollständig. Sein Pferd, ein sogenannter Lipizianer, setzt scheinbar zum Sprung an. Bei näherer Betrachtung
entpuppt sich dies, als eine Kunstfigur wie sie an der Wiener Reitschule praktiziert wird. Das Pferd befindet sich in einer künstlich erzwungenen Stellung, die durch das Weglassen des Reiters noch verstärkt wird.

“Zwischen dem “Goldenen Reiter” als Sample, einer Ikone im Medienlook, und dem neuen Mercedes Maybach als virtueller 12-Zylinder übt sich die HighTech-Gesellschaft am Schlagaustausch der Gezeiten. Das Pferd ohne Reiter springt der Zukunft zügellos entgegen.” (Prof.Dr. Klaus Werner)

Die dritte Ebene ist die Virtualität. Dafür mußte ich eine neue Abbildungstechnologie (Bildmaschine) entwickeln, die die dritte Dimension beinhaltet, nämlich die der “scheinbar – wirklichen” Körperhaftigkeit. Grundlage dafür bildet die Schichtung von Glas.
Glas (der Werkstoff des “Neopostbarock”) und Gold (der Werkstoff des Barock) bilden lokende Oberflächen als Grenzen zwischen Tod und Leben, zwischen Energie und ihrem Rückstand, zwischen Sein und Schein. Glas ist der wichtigste Werkstoff, um die von uns erzeugten virtuellen Welten überhaupt sichbar zu machen.

Es enstand ein Glasblock in dessem Inneren das Pferd sich dreidimensional abbildet. Obwohl sich der Körper des Pferdes sichtbar dreidimensional abzeichnet, ist der Körper als solches nicht vorhanden (Virtualität). Die Glasschichten sind der Träger eines “leuchtenden Bildes”, genau wie das Glas der Braunschen Röhre, der Fernsehapparate, Computermonitore und Handydisplay´s – zusammengefaßt – unserer Bildmaschinen.

Meine Kritik setzt am Umgang und der Wertgebung von Oberfläche an. Die Arbeit “[OSZO 5]- Der Goldene Reiter”, ist scheinbar ein Fetisch der Oberfläche. Oberfläche wird gegen sich selbst gewandt, es ist die Negation der Negation.
Sie zeigt, daß der Inhalt der Verpackung wiederum Verpackung ist.

Der Glasblock steht auf einem Stahlsockel auf einer Landzunge in Leipzig, am Zusammenfluß von Pleiße und Elsterflutbecken und wurde im Dezember 2003 enthüllt.

 

Ritchie Riedigers Skulptur „Der Goldene Reiter“, die seit 2002 das Wahrzeichen der Leipziger Elsteraue ist und vor allem nachts die Passanten begeistert, verwirrt bereits in ihrem Titel. Denn weder ist das Pferd, das am Zusammenfluss der Pleiße und der Weißen Elster eine enge Landspitze überstrahlt, von goldener Farbe, noch trägt es einen Reiter. Gleichwohl ist es von beeindruckender Präsenz und nicht nur Kenner der Materie wissen, dass es sich bei Riedigers Skulptur um eine ironische Adaption der berühmten goldenen Reiterstatue August des Starken in Dresden handelt.

Als Gewinner eines künstlerischen Wettbewerbs für die Gestaltung der besagten Landzunge setzte Riediger das Pferd des Sachsenkönigs mittels zeitgemäßer Ästhetik in Szene. Sein Pferd ist gleichermaßen Bestandteil wie kritischer Kommentar zur Denkmalskultur und zur Kunst im öffentlichen Raum. Für die Umsetzung seines Konzepts hat Ritchie Riediger eigens eine originäre technische Lösung entwickelt. Er unterzog das maßstabsgetreue Modell des Dresdener Pferdes einer Computertomographie und übertrug die Längsschnitte der Skulptur mit floureszierender Farbe auf Glasscheiben, die in ihrer Gesamtheit ein dreidimensionales Pferd erscheinen lassen.

Die Skulptur reiht sich damit ein in eine Reihe von Arbeiten Riedigers, die sich konzeptionell mit Bild-Maschinen, mit Technik, die zur Kunst wird, beschäftigen. Der Künstler bewegt sich damit oft auf einer philosophischen Ebene, die sich mit Ästhetik im Medienzeitalter auseinandersetzt. Unsere Wahrnehmungs­gewohnheiten, die von (z.B. Bildschirm-) Oberflächen dominiert werden und Wirklichkeiten vorgaukeln, wo eigentlich keine sind, werden durch Riedigers Kunst auf subtile Weise infrage gestellt. Denn indem er das Spiel um Sein und Schein mitspielt und dem Betrachter Realitäten offenbart, die auf den zweiten Blick nur Abbild sind, reflektiert er die Tricks der Informations- und Desinformationsindustrie, die uns zunehmend zu Opfern von Manipulation macht, – sei es durch die Verheißungen der Werbung bis hin zum Konsum mannigfaltig gefilterter scheinbar objektiver Nachrichten.

Bei allen konzeptuellen Hintergründen, die das Werk Riedigers prägen, ist der „Goldene Reiter“ eine Skulptur, die durchaus ohne sekundäre Informationen als Kunstwerk besteht. Nicht zuletzt durch die gelungene Kombination aus barocker Opulenz und stringentem zeitgenössischen Design ist das „Pferd am Fluss“ eines der wenigen Beispiele von Kunst im öffentlichen Raum, das nicht zu den oftmals üblichen Protesten geführt hat und statt dessen allgemeine Anerkennung erfährt. Modelle der Skulptur befinden sich mittlerweile im Besitz der Sachsen LB und einiger privater Sammler, darunter so prominente Persönlichkeiten wie der Malerstar Neo Rauch.

Carsten Busse 2007 / Galerie Born + Busse – Leipzig